Straßen und Plätze im Sprengelkiez wie die Samoastraße, die Kiautschoustraße und der Pekinger Platz tragen Namen ehemaliger deutscher Kolonien. Auch Institutionen wie das Robert‑Koch‑Institut oder das Virchow-Klinikum weisen ein koloniales Erbe auf. Sowohl Rudolf Virchow als auch Robert Koch übten zur Zeit des Kolonialismus menschenverachtende Praktiken zu medizinischen Zwecken aus.
All das und mehr war Teil der vier Kiezspaziergänge „Spurensuche Kolonialer Sprengelkiez“ im Sommer und Herbst. Unter der Führung des Historikers Stefan Zollhauser (www.berliner‑spurensuche.de) suchten jeweils ca. 15 interessierte Teilnehmende diese Orte auf und sprachen über die weitestgehend unreflektierten kolonialen Spuren des Sprengelkiezes. Sie waren sich einig, dass diese Spuren nicht einfach so hinzunehmen sein sollten. Dass es Veränderung bedarf. Dass mit diesen Spuren bewusst umgegangen werden sollte. Die Diskussion über das „wie“ begann schon lebhaft während der Spaziergänge selbst und sollte daher nach den Kiezspaziergängen im Oktober vertiefend fortgeführt werden.
Aus diesem Grund lud das Projektteam von „Demokratieförderung im Stadtteil“ Interessierte ein, sich am 29.10. bei einer anschließenden Nachbesprechung „Spurensuche Kolonialer Sprengelkiez – wie weiter?“ darüber auszutauschen, was sie sich wünschen und wie es weitergehen soll. Anwesend waren zivilgesellschaftlich und politisch Aktive von jung bis alt: Anwohner:innen des Kiezes, Historiker:innen und Journalist:innen, Aktive aus Migrantenorganisationen im SprengelHaus, der Pfarrer der Osterkirchengemeinde, die Stadtteilkoordination und auch Mandatsträger:innen aus Bezirksverordnetenversammlungen.
Das Interesse an dem Thema der Spaziergänge war nicht nur groß, sondern auch breit gefächert. Eine Abfrage der besonderen Interessen der Teilnehmenden an der Veranstaltung und dem Thema ergaben verschiedene Zugänge: z. B. Bürgerbeteiligung, bezirkliche Geschichtsarbeit (historisch‑stadtgeschichtlich, aktuell) sowie künstlerische Interventionen aus einem kunstgeschichtlichen Ansatz heraus. Aus diesen verschiedenen Zugängen und Interessen entstanden in einer breiten Beteiligung während der Veranstaltung konkretere Ideen und Vorschläge zur Frage, wie ein bewusster Umgang mit den kolonialen Spuren möglich sein könnte. Das Projektteam hielt diese Beiträge schriftlich sortiert fest.
Die Beteiligten waren sich einig, dass ein wichtiger Schritt auf jeden Fall die Information sei: das eigene Informiertsein auf der einen Seite und das Informieren auf der anderen Seite. Die Beteiligten wollen ihr Wissen vertiefen – anknüpfend an jenes, dass sie sich bei den Spurensuchen mit Stefan Zollhauser aneignen konnten. Als Grundlage für die weiteren Treffen wurde verabredet, dass das Projektteam den bereits existierenden Wissensstand dokumentiert und eine weiterführende Recherche beginnt, um noch mehr Hintergrundinformationen zu der kolonialen Geschichte des Kiezes zu sammeln. Neben dieser Sammlung und Vertiefung sollte es nach Meinung der Teilnehmenden jedoch auch darum gehen, das neu erworbene beziehungsweise aufbereitete Wissen in einer positiven Weise und über verschiedene Formate breiter zu streuen – zum Beispiel über Informationsveranstaltungen im SprengelHaus oder auch über informierende Aktivitäten im öffentlichen Raum. Eine weitere Anregung war, zu versuchen, noch mehr Menschen, Gruppen und Anwohner:innen des Kiezes in die Diskussion zu diesen Themen (Straßennamen – Kolonialismus, gegenwärtige Erinnerungskultur bzgl. Rassismus) mit einzubeziehen, verschiedene, darunter auch migrantische Perspektiven wahrzunehmen.
Das zentrale Anliegen bei den Teilnehmenden der Veranstaltung war es, den Schwerpunkt weniger auf einen „Aktionismus“ als vielmehr auf die Informationsvermittlung, eine weiterführende thematische Verknüpfung und Recherche zu dem Thema Kolonialismus im Sprengelkiez, zu legen. Die Beteiligten hoben hervor, dass für diesen Prozess Informationen und Austausch wichtig seien, ebenso wie sich Zeit zu nehmen.
Das nächste Treffen wird am 14. Januar 2021 um 19 Uhr stattfinden. An diesem Tag soll der Zwischenstand der Recherche geteilt und besprochen werden. Für Interessierte sollen hier zudem verschiedene Formen der zukünftigen Beteiligung und Zusammenarbeit an dem Thema eröffnet werden.
Hier: Bericht zum Download.